Die Gänsehaut des Hauptdarstellers


Für die Straßenkinder von St. Petersburg rocken die Schüler des Humboldt-Gymnasiums. Sie erzählen vom Schicksal des Jungen Dimitri.

Innenstadt - Die „Mafiosi“ sind nicht auf ihrem Platz, die Mikrofone funktionieren nicht, und Regisseur Reinhard Schiele kommt ins Schwitzen. Bei der Hauptprobe hapert's noch gewaltig. Normal. Derweil warten Chor und Bigband auf ihren Einsatz. Gut 100 Jugendliche des Humboldt-Gymnasiums üben sich vor und hinter dem Vorhang in Geduld. Dimitri (Michael Bahn) sitzt seelenruhig auf seiner Pritsche, und weil die Probe aus technischen Gründen gerade unterbrochen ist, unterhält er die Anwesenden anderweitig: Ein Brötchen würde er jetzt gern essen, erzählt er humorig, die Mutter wollte eigentlich eins bringen.

Es ist ein Rock-Theater, das die Schüler der Oberstufe einstudieren. Musik-Werke von Yes, Uriah Heep, Queen und Deep Purple hat Tobias Kremer für seine schuleigene Bigband neu arrangiert, und entsprechend haben Klaus Riedl und Andrea Tenhagen Solisten und Chor getrimmt. Um die Songs herum wurden Theater-Szenen mit Tanz-Einlagen gebaut, in denen es um Straßenkinder von St. Petersburg geht und um Mafia-Geschäfte - keine leichte Kost. Alles dreht sich um Dimitri, der im Gefängnis sitzt und viel Zeit zum Nachdenken hat. 24 Stunden seines Lebens werden vorgeführt: Er wird hin und her gerissen zwischen Liebe, Macht, Glauben, Angst und Tod. Trotz allen Elends ist das Stück ein positives: Dimitri entscheidet sich fürs Leben und gegen den Tod, der ihm Rettung durch Drogen verspricht.

Freilich ist die Situation künstlerisch überhöht, dramatisiert. „Wir im satten Westen können uns nicht anmaßen, das Leben der Kinder dort darzustellen“, sagt Barbara Hahn, die Autorin. Vor mehreren Jahren bereits hat sie das Stück geschrieben, angeregt durch mehrfache Besuche in St. Petersburg. Sie stützt sich auch auf Erfahrungen des Vereins „Psalm 23“, der sich mit russischen Straßenkindern befasst. Eingestimmt auf die elenden Verhältnisse wurden die Schülerinnen und Schüler durch einen Film, den Barbara Hahn mitgebracht hat. „Natürlich ist es verdammt schwer, sich in die Situation reinzudenken“, sagt Michael Bahn, der 17-jährige Hauptdarsteller aus der elften Klasse. Aber je länger er sich mit dem Thema beschäftigt, desto besser gelinge ihm dies. Und an seinem Arm zeigt sich tatsächlich Gänsehaut, während er von „Pictures of home“ schwärmt, dem Deep Purple-Song voll einsamer Sehnsucht. Barbara Hahn hat jede Menge Vorschuss-Lorbeeren für den Nachwuchs-Darsteller übrig, der gern Sänger oder Schauspieler werden würde. 10 000 Euro haben die Eltern des Humboldt-Gymnasiums aufgebracht für die aufwändige Produktion. Eintritt wird nicht verlangt, es wird jedoch um Spenden gebeten, die dann den Straßenkindern von St. Petersburg zugute kommen sollen. Die Premiere im Humboldt-Gymnasium am Kartäuser-Wall findet heute, am 4. März um 19.30 Uhr statt. Weitere Aufführungen gibt es am 5. und am 6. März zur gleichen Zeit.


(KStA)