Rezension
Einsatz „Ritt der Walküren“ von Wagner in der "Hubschrauberszene" im Film "Apocalypse Now"
Der Zusammenhang zwischen Musik und Bild in der "Hubschrauberszene" nimmt eine ganz besondere Rolle im Film ein, da der Regisseur an dieser Stelle sehr viele Feinheiten eingebracht hat, die auf eine weitergehende Gesamtaussage schließen lassen können. Zunächst einmal lässt sich die Anwendung der Musik in Hintergrundsmusik, die vom Regisseur selbst ausgewählt bzw. unterlegt wird und Musik, die in der Handlung selbst abläuft, also vom Protagonisten aus gesteuert wird, unterteilen. Die Szene beginnt mit den startenden Hubschraubern in einem wolkenverhangenen Himmel. Das Bild wirkt düster und bedrohlich, was vor allem durch die rötliche Färbung des Himmels und den aufwirbelnden Staub ausgelöst wird. Im Hintergrund erklingen die Trompeten, die jedoch durch die Atmosphäre, sprich Hubschrauberrotoren und Motorengeräusche untergehen. An dieser Stelle wird die Rolle der Amerikaner im Kampf schon ein Stück weit relativiert, da dieser triumphierende und siegessichere Klang der Trompeten nicht überzeugen kann und wie bereits erwähnt, durch die Atmosphäre untergeht. Anschließend schafft das Bild eine Überblendung zum Sonnenaufgang hin, der Himmel ist weiterhin rötlich und man sieht die Hubschrauber empor über das Meer und einen Wald fliegen. Im Hintergrund ertönen sirenenartige Schreie bzw. Gesänge, die keineswegs mit dem Bild im Einklang stehen, sondern eher bedrohend und aggressiv klingen. Auf mich wirkt dieser Kontrast auch störend, nicht im negativen Sinne, sondern eher, dass ich die Betrachtung dieses Ausschnittes distanziert in Erinnerung behielt. Der Begriff der "peripheren Assoziation" lässt sich hier gut anwenden, da die Musik letztlich eine eigene Ebene schafft, die den Kontrast herausbildet und ein Verstehen ermöglicht. Denn betrachte man einmal diesen Filmausschnitt ohne Musik, so hätte man als Zuschauer keinesfalls Assoziation von Kampf, Krieg und Bedrohung. In dieser Hinsicht fördert die Musik also das Verstehen. Sehr deutlich gelingt es bereits an dieser Stelle, vor Erklingen der Musik Wagners, ein Abbild der Walküren zu schaffen. Durch die von oben absteigenden, nahe zu gespenstischen Klänge und die vom Himmel herabkommenden Hubschrauber vereint sich das Bild mit den Vorstellungen aus nordischen Sagen und Mythen, wo die Walküren ähnlich auf das Schlachtfeld herabkommen, um die Toten zum Gott Wotan in die Walhalla zu bringen. Ironisierend wirkt also aus diesem Zusammenhang heraus, dass sich die Amerikaner offensichtlich von einer höheren göttlichen Macht auserwählt fühlen und somit ihren geplanten Angriff rechtfertigen. Eine weitere Schlüsselszene, die meiner Meinung nach geschickt entwickelt wurde und deutlich erkennbar macht, dass der Regisseur auf unterschwellige Art und Weise den Vietnamkrieg der Amerikaner kritisiert und eine gewisse Kriegsmentalität ins Lächerliche zieht, ist die Szene in den Hubschraubern selbst und der Beginn der Walküren. Bewusst nennt Golonel Kilgore, ein ranghöherer Offizier, der offensichtlich sehr angetan ist von dieser Schlacht und mit seinem Coybow-Hut ein Stück weit Amerika symbolisiert, die Musik, die er kurz vor dem Angriff auflegt, "Wagner" und nicht "Ritt der Walküren", worauf möglicherweise auf die Nationalsozialisten angespielt werden soll und ich persönlich unweigerlich Parallelen dazu erkannt habe.
Auffallend sind jedoch die Ausschnitte nach Erklingen der Walküren und der Zusammenhang zwischen Bild und kommentierender Musik. Der Gestus der Musik ist sehr eindeutig für das Ohr des Zuhörers. Sehr starke, dynamische, aufstrebende Melodien, die im Grunde nur die Sicherheit und Überlegenheit in dieser Schlacht darstellen können. Dies trifft jedoch nicht ein, denn im Gegensatz dazu vereint sich das Bild nicht mit dem Ton und es erscheinen die Gesichter der Soldaten, die verstört, ängstlich und hilflos hinabschauen. Man kann sagen, dass an dieser Stelle die Haltung von Golonel Kilgore, der es als Aufgabe sieht, vor seinen Männern den Krieg zu verherrlichen und den Tod zu verharmlosen, komplett untergeht. Zwar geschieht dies nicht eindeutig erkennbar für den Zuschauer, wird jedoch nachträglich im Unterbewusstsein abgespeichert. Auch die Vorwände des Offiziers, der diesen Angriff im Grunde nur geplant hat, um anschließend sicher am Strand surfen zu können, ziehen das Bild völlig ins Lächerliche.
Insgesamt denke ich, ist es dem Regisseur sehr gut gelungen, unterschwellig die Mentalität und Einstellung Kilgores zu ironisieren, was größtenteils durch den geschickten Einsatz von Musik und Bildmaterial und die dadurch entstehenden Kontraste erzeugt wurde. An den entscheiden Momenten wird der Zuschauer bewusst auf Distanz gehalten.
Lukas Henke