Psalm 23 e.V.

 

 

Psalm 23 e.V.  Holzmarkt 3  52156 Monschau

 

 

 

Humboldtgymnasium Köln

z.Hd. Herrn Klaus Riedel

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Monschau den 06.03.04

 

 

Betrifft: Dimitri

 

Sehr geehrter Herr Riedel

 

Ich schreibe Ihnen als Stellvertreter für alle Jugendlichen, Eltern und Mitwirkenden am Musical Dimitri. Herrn Pong und mir war es eine Freude am 5.3.04 Ihr Gast in Köln zu sein und der großartigen Aufführung des Musicals beizuwohnen.

 

Als ich im Jahre 1992 mit anderen späteren Mitgliedern unseres Vereins zum ersten mal das Kindergefängnis Lebedeva in St. Petersburg betrat, wäre mir im Traum nicht eingefallen, welche Folgen das haben würde. Als wir seinerzeit unter falscher Flagge in das Kindergefängnis eingelassen wurden, bot sich uns ein Bild des Schreckens. Wir fanden bis zu 20 Kinder in eine Zelle gepfercht, die für 8 Gefangene gedacht war. Der Gestank in den Zellen war unbeschreiblich, da die in den Ecken befindlichen offenen „Hockeklos“ teils verstopft, teils stark verschmutzt waren. Kinder die ihre Notdurft verrichten mussten konnten dies nur in der Öffentlichkeit der Zelle, vor allen anderen Mitgefangenen tun.

In einer Zelle trafen wir auf einen Erwachsenen Mitgefangenen, der gerade einen etwa 14 Jahre alten Jungen sexuell bedrängte. Diese erwachsenen Mitgefangenen wurden als ,,Aufseher" mit in die Zellen gesperrt. Die Situation war den Wärtern nicht mal peinlich!

Die Kinder und Jugendlichen hatten keine Seife, keine sauberen Handtücher, und teilweise seit Jahren keine Zahnpasta mehr gesehen. Krankheiten wie Krätze oder Infektionskrankheiten grassierten in den Zellen.

Das Essen, welches ,,gereicht“ wurde, war der Rede nicht wert und konnte wohl Niemand satt machen und der Hofgang, wenn überhaupt, einmal die Woche, konnte die Tristesse auch nicht unterbrechen, wurde man doch in 4x4 m große Tigerkäfige zum Hofgang gesperrt. Die Wärter waren desinteressiert und auf Grund ihrer eigenen wirtschaftlichen Not nicht in der Lage, wirklich etwas für die Kinder und Jugendlichen zu tun. Die Flucht in den Wodka führte zu so manchem Gewaltausbruch der Wärter in den Gefängnissen.

Unser seinerzeitiges Ansinnen, den Kindern und Jugendlichen zur Hilfe zu kommen, wurde vom Anstaltsleiter ausgelacht. ,,Um Dreck sollte mach sich nicht kümmern" war seine Meinung zu den Jugendlichen und Kindern.

 

Psalm 23 e.V. wurde spontan, noch in der gleichen Nacht, ins Leben gerufen. Der Name wurde nicht nur aus religiösen Gründen gewählt, denn die Begründer und Mitglieder des Vereins kommen aus verschiedenen Religionen oder sind Atheisten. Es ging um zwei Sätze im Psalm: ,,Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln" war für die unter uns, die an Gott glauben, wichtig und der Satz ,,er deckt den Tisch im Angesicht meiner Feinde" für alle unter uns, denn das ist es, was wir in dieser Nacht und danach für die Kinder tun wollten.

 

Seitdem hat sich viel geändert. Wir haben die Zustände in den Gefängnissen seinerzeit öffentlich und europaweit angeprangert. Das hat zu einer Welle der Hilfsbereitschaft geführt. Zahlreiche Organisationen und Institutionen haben sich engagiert und sind uns zur Hilfe gekommen. So konnten wir bis 1997 die verschiedensten Hilfsprojekte auf der Straße und in den Gefängnissen von St. Petersburg starten. Dabei war es immer unser Anliegen ein Beispiel zu geben ohne Arrogant zu sein. Es war uns immer klar, das die Russen sich selbst helfen können und in fast jedem Russen ruht ein Herz für die Kinder Russlands.

Unsere Fluchtburgen wurden dann auch bald von russischen Hilfsorganisationen erfolgreich und nachhaltig kopiert. Viele dieser „Kopien" bestehen heute noch und sind nun besser als das ,,Original".

Mit unserem Nachtarzt haben wir das Modell für die ärztliche Versorgung der Kinder auf der Straße gestellt und dank der überaus großzügigen Unterstützung der Stadt Hamburg konnten die Miliz für Kinder, die Inspektion für Kinderrechte, auf den Weg zu einer Jugendarbeit auf der Straße bewegt, ja teilweise umgeformt werden Kinder in den Gefängnissen werden jetzt korrekt behandelt und Misshandlungen sind die Ausnahme. Allerdings hat sich an der materiellen Enge und der schlechten Ausstattung der Gefängnisse nichts geändert.

 

Mit Hilfe der EU haben wir in den Jahren 1995-1997 Starthilfe an verschiedene russische, aber auch ausländische Organisationen der Jugend- und Straßenarbeit in Petersburg weiter geben können. Fast 30 % der so geförderten Einrichtungen bestehen heute noch und sind so gefestigt, dass die Kinder und Jugendlichen in Petersburg auf diese bauen können.

 

Psalm 23 e.V. betreut jetzt noch die in seinen Fluchtburgen im Jahre 1992 aufgenommenen Kinder, bis diese 18 sind und ihre Ausbildung erhalten haben, und wir freuen uns, dass wir in diesem Jahr das Ziel erreichen werden.

 

Dazu tragen Sie, tragt Ihr nicht zuletzt mit den von Euch gesammelten Spenden bei. Wir hoffen das Geld in Eurem Sinne verwenden zu können, wenn wir es für die

letzten Kinder aus unserer Fluchtburg einsetzen, aber auch für direkte Hilfe in den Gefängniszellen von St Petersburg, welche dort von unseren Mitarbeitern vor Ort geleistet und beaufsichtigt wird. Über die Verwendung des Geldes werden wir natürlich berichten.

 

Obwohl der Brief schon sehr lang geraten ist, möchte ich noch etwas zu Ihrem/Euren Musical sagen. Genau so wichtig wie das Geld, welches in Petersburg dringend benötigt wird, ist es, gegen das Vergessen der Kinder in Petersburg anzukämpfen. Mit dem Musical wurde ein herausragender Beitrag hierzu geleistet. Dabei haben Sie / habt Ihr viele Ängste und Sorgen der Straßenkinder in St. Petersburg, nicht zuletzt auf Grund des tollen Drehbuches von Frau Barbara Hahn, sehr direkt aber doch künstlerisch perfekt dargestellt.

Nun bin ich kein Theaterkritiker, aber als z.B. die Mafiosi  (wir nennen die in Petersburg ,,Businessmänni“) die Bühne betraten, musste ich an die Gestalten denken, die in den Cafes und Nobelrestaurants in Petersburg herumhängen und tatsächlich schiffsladungsweise Waren verhökern, während ihre minderjährigen ,,Pferdchen" auf der Straße anschaffen gehen. Rene Simon und seine Truppe waren da schon verdächtig echt.

Und beim Anblick des Popen ist mir wieder jene Situation im Jahre 1992 eingefallen, als wir die ersten unserer Kinder aus einer Pachtoilette am Nevsky Prospekt herausgeholt haben. Dort lebten die 8 zwischen den Urinalen der Männerklos, weil es in der Toilette knapp über 0 und draußen unter –20 Grad war. Zu dieser Zeit hatten wir noch keine Fluchtburg und wir konnten auch keine Wohnung mieten. Da sind wir halt mit den Kindern zur griechisch-orthodoxen Kirche gestiefelt. Der Pope war sehr freundlich und meinte, er würde für uns und die Kinder beten, aber das war's dann auch. Das hat Sebastian Velke richtig dargestellt.

Mächtig und schwer beeindruckend fand ich auch die Szene, bei der der Chor und alle anderen Darsteller die ,,Macht“ verjagten und das Publikum mit ihrer Wut und Enttäuschung Auge in Auge konfrontierten. Man denkt sofort an den einen oder anderen Jugendlichen in Petersburg, der einem über die Jahre ,,durch die Hände“ geglitten ist und der genau dies empfunden haben muss. Michael Bahn und alle anderen Darsteller rufen da zumindest bei mir Erinnerungen wach.

Und nicht zuletzt haben viele der Jugendlichen, die ich in den Gefängnissen vorgefunden habe, daran gedacht, sich in den Tod zu flüchten, der frei macht. Es stimmt schon, was Max Winterhoff da auf der Bühne darstellt.

 

Nun reicht es aber, sonst wird das Schreiben ja endlos lang. Noch mal vielen Dank, auch im Namen meiner Mitstreiter in Psalm 23 e.V. und vor allem derjenigen, denen das eingesammelte Geld helfen wird. Dafür werden Olga Uchatuk in Petersburg und die Vorstandsmitglieder von Psalm 23 e.V. hier in Deutschland Sorge tragen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Ihr / Euer

Stefan Schepers

Vorsitzender des Vereins

Psalm 23 e.V.

 

 

 

 

 

Vereinsregister Aachen Nr. 3 VR 2938

Sparkasse Aachen 

Bankleitzahl 39050000

Konto Nr. 47528880

Vorsitzender: Stefan Schepers

Schatzmeisterin: Gertrud Rübel Vossel

Beisitzer: Birgit Pommè