Suite Nu I

 

 

In meiner Musik-Performance zum Thema Fluxus habe ich zunächst zwei verschiedene Ansatzpunkte gewählt.

Zum einen habe ich mich dafür entschieden den akustischen Teil der Performance sehr klassisch und konventionell zulassen und dem Zuschauer damit keine vollkommene Zerstörung zubieten. Der Gedanke dabei war, dass Fluxus auch immer etwas Neues, Innovatives war und ist. In den ersten Anfängen, in den 60er Jahren waren die Umstände sehr einengend, die Kunst und vor allem die Musik waren sehr beschränkt und so war ein Rahmen gegeben, der durchbrochen werden konnte.

Heut zu Tage allerdings gibt es diese Grenzen nur noch minimal, sie sind geweitet und es gibt kaum etwas, das noch schockiert oder einfach neu ist. Daher halte ich es nicht für sinnvoll genau so weiterzumachen, wie in den 60ern. Die Zeiten haben sich geändert und ich denke, das es verkehrt ist, sich zwanghaft etwas auszudenken, das einfach gegen alles ist; noch ausgefallener, noch eine Steigerung.

Das heißt nicht, dass ich nicht Elemente, Stilmittel des Fluxus verwenden werde, sondern nur, dass ich versuchen werde, den Zuschauer dazu zubringen, die Musik anders zuhören. Man soll gezwungen sein die Musik von einer anderen Seite zusehen, sie kritisch zu betrachten, intensiver wahrzunehmen.

Zum Zweiten, habe ich eine Thematik gewählt, die meines Erachtens nach so besonders ist, weil es kaum etwas gibt, das so natürlich und gleichzeitig so schockierend, aufsehnerregend ist. Nacktheit.

 

Von der Religion ausgehend bis zu Darwins Evolutionstheorie ist Nacktheit natürlich von der Natur bzw. Gott gegeben. Wir kommen nackt auf die Welt und pflanzen uns doch mehr oder weniger nackt fort. Nackt ist man nur man selbst und ohne Einflüsse, zu mindest auf den ersten Blick, man ist ungeschützt vor Angriffen oder Blicken.

Andererseits ist es aber so, das kein anderes Thema so oft verurteilt wird. Und auch wenn wir uns in der heutigen Gesellschaft einreden, dass wir über alles reden können vor allem über Sexualität und nicht prüde sind, ist es doch so, dass sich jeder unbehaglich, peinlich berührt fühlt, wenn er tatsächlich jemanden nackt betrachtet.

Um diese beiden Aspekte miteinander zukombinieren, habe ich als klassisches Werk die Sarabande aus der ersten Cello Suite von J.S. Bach gewählt.

Es wird in der Melodie komplett übernommen und nicht verändert. Allerdings wird dem Spieler/der Spielerin Freiheit in Rhythmik und Tempo gegeben, sodass das Ergebnis stets ein anderes und vom Interpreten abhängig ist. Jedoch ist zu beachten, dass der tragende, besondere Charakter des Satzes beibehalten wird.

Die Interpretin wird sehr schlicht gekleidet sein. Schwarz, hoch geschlossen, ungeschminkt; insgesammt unschuldig. Sie wird die Bühne betreten mit ihrem Cello. Ein Podest soll dort stehen, mit einem Stuhl. Alles sehr schlicht und konventionell eingerichtet. Kein Notenständer.

Sie beginnt zuspielen, sehr frei und andächtig.

Zu beachten ist, dass das Cello als Instrument mit seiner obszönen Haltung hierbei noch als Kontrast zu dem Werk an sich steht, ein reines, göttliches Werk, wie es oft beschrieben wird.

In der Mitte des zweite Taktes betritt der erste nackte Mensche die Bühne. Es ist dabei irrelevant, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Entscheident ist die Reaktion des Publikums, der Effekt den die Zusammenführung beider Aspekte auf die Zuschauer hat.

Es betreten dann nach und nach immer mehr nackte Menschen den Raum. Sie haben zwar feste Einsätze, jedoch keine bestimmte Handlung auf der Bühne zubefolgen. Es ist ihnen überlassen, ob sie sich direkt vors Publikum stellen, sich unterhalten, Sport machen etc. .

Während der letzten Takte des Stückes stoppen die Einzelacktionen mit dem Auftritt einer letzten nackten Person, die sich an eine zentrale Stelle der Bühne stellt und ins Publikum schaut. Alle Anderen starren diese Person dabei an. Es wird damit die Absurdität der Gesellschaft verdeutlicht, die einzelne anstarrt, die doch genauso sind wie alle Anderen.

Insgesammt ist also die Kritik an der Gesellschaft der Mittelpunkt meiner Performance, einerseits in Bezug auf die Absurdität in der verurteilt wird und andererseits in Hinblick auf den Hang der heutigen Gesellschaft zu immer weitergehenden Extremen, die aber als Solche garnicht mehr wargenommen werden, weil es keine Grenzen mehr gibt, die zerstört werden können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich habe keine weiteren Anmerkungen zu meiner Fluxus-Performance zumachen.

Der oben vorliegende Text und die Noten der „Suite Nu“ sollen an die Interpreten weitergegeben werden, um sicher zustellen, dass die Intention meines Werkes nicht missverstanden wird.

Nur durch die Vorgabe der festgelegten Aktionen und dem Verständnis dieser, kann das Werk die Richtung erhalten, die ich versucht habe vorzugeben.

Ich setzte also das Wissen der Intention voraus, um darauf die Freiheiten der Interpreten aufbauen zulassen.

Das Stück kann nur dann falsch im Sinne des Komponisten aufgeführt werden, wenn die Intention nicht vorher von den Interpreten gelesen und verstanden wurde.